Jack the Ripper im Alten Schlachthof Pforzheim. Was sensationslüstern klingt, ist der Name des Schauspiels der Kulturbühne Osterfeld zum Thema Prostitution, das am Freitag, 16. Juni, Premiere hatte im Alten Schlachthof Pforzheim. Die Genossenschaft Gewerbekultur Pforzheim stellte dafür die Räume zur Verfügung, die mit ihrer martialischen Optik den perfekten Hintergrund für die teilweise brutale Seite des Rotlichtbezirks und die Morde von Jack the Ripper boten.

Die Truppe unter der Regie der Theaterpädagogin Stefanie Gutekunst führte das Stück „Invisible – Chapter I – Jack the Ripper“  vor wechselnden Kulissen aus, das heißt, die Zuschauer mussten zusammen mit den Akteuren in verschiedene Räume wechseln. Der Alte Schlachthof Pforzheim war wie geschaffen für diese Art von Performance. Eindrucksvoll zeigten die zehn Darsteller, dass das Geschäft mit dem käuflichen Sex viele Gesichter haben kann.

Käuflicher Sex ist ein Tabuthema

Weibliche, aber auch männliche Huren sind so gut wie unsichtbar. Sich für Sex zu verkaufen ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft tabu ist. Dennoch haben die meisten von uns bestimmte Stereotypen und Vorurteile im Kopf, was die Rotlichtszene betrifft. Der Theatergruppe des Kulturhaus Osterfelds gelang es eindrücklich, das großes Spannungsfeld zwischen selbst bestimmter Sexarbeit und Zwangsprostitution aufzuzeigen am Freitagabend im Alten Schlachthof Pforzheim.

Die Schauspieler lieferten nicht nur eine Menge Fakten und Statistiken, sie stellten in kurzen Rollenbildern auch die komplexen Strukturen einer scheinbaren Parallelgesellschaft dar. Anhand von Begriffen wie Freiheit und Zwang, Macht und Ohnmacht, Angst und Hoffnung erfuhren die Zuschauer, warum sich Frauen prostituieren. Sexualisierte Gewalt in die Kindheit oder zerrüttete Familienverhältnisse sind zum Beispiel Gründe, aber auch einfach Neugierde oder die Abhängigkeit von einem „Loverboy“. Über 80 Prozent der Frauen kommen aus Armutsländern. So sind laut Statistik von 88 Prostituierten in Pforzheim 16 aus Deutschland.

Männliche Lust steht im Mittelpunkt

Der Unterschied zwischen Laufhaus, Bordell und Escort Service, aber auch die verschiedenen Männertypen, die zu Sexarbeiterinnen gehen, kamen zu Sprache. Da gab es den Fiesen, der Frauen prügelt und sie „Fickstück“ nennt, die froh sein sollen, dass sie „gebucht“ werden. Aber auch den Zurückhaltenden, der keine andere Möglichkeit sieht als zu zahlen, um Nähe und Zärtlichkeit von einer Frau zu bekommen. Dass aber bei allen Typen deren Vergnügen im Mittelpunkt steht, waren sich die Frauen einig.

Auch der Sinn des Prostitutionsschutzgesetz, dass den Verkehr zwischen Freier und Hure regeln soll, wurde ad absurdum geführt. Denn wie soll irgendeine Vorschrift die Sexarbeiterinnen vor ungeschützten Verkehr oder Übergriffen bis hin zu Mord schützen. Schließlich wurden 52 Prozent der Prostituierten schon mal mit einer Waffe bedroht. Und bei 62 Prozent der Todesfälle bei Huren war der Freier der Täter. Hier hatte endlich der Namensgeber des Stücks „Jack, the Ripper“ seinen Auftritt. „Ihn kennen alle“, wandte sich ein Darsteller ans Publikum. „Aber die Namen seiner Opfer weiß niemand.“

Viele Gespräche mit betroffenen Frauen

Theaterpädagogin Stefanie Gutekunst führte Regie bei dieser aus einzelnen Szenen bestehenden Performance, zu der die rohen Wände des Schlachthofs eine martialische Kulisse boten. „Ich habe viele Biografien gelesen, Statistiken ausgewertet und Gespräche mit Aspasia geführt“, erzählte sie. Die Beratungsstelle für Sexarbeitende ist Ansprechpartner für Betroffene. Auch ein für diesen Bereich zuständiger Kriminalkommissar habe Auskünfte geben können, so die Regisseurin.

Nach den Recherchearbeiten habe der Prozess des freien Schreibens begonnen. Diskussionen mit dem Theaterensemble, aber auch im Freundeskreis haben zwei verschiedene Richtungen erkennen lassen. „Den Diskurs daraus wollte ich abbilden“, erklärte Stefanie Gutekunst. „Ich wollte die Menschen sichtbar machen, die normalerweise in der Gesellschaft gesichtslos sind.“

Text und Fotos: Corina Wießler

Fotos der untenstehenden Fotogalerie: Winfried Reinhardt