Schaufenster neuer Wohnformen war der Alte Schlachthof in Pforzheim am Montag, 19. Juni 2023. Pforzheims Baubürgermeisterin Sibylle Schüssler hatte eingeladen zu einer Netzwerkveranstaltung in den Alten Schlachthof. Nicht nur interessierte Zuhörer und die Mitglieder der Genossenschaft Gewerbekultur kamen, auch Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, sowie die 13 Teilnehmer der dritten Förderrunde „Lücken:nutzen“ im Rahmen der Patenschaft Innovativ Wohnen folgten der Einladung.
Innovatives und bezahlbares Wohnen
Die Baubürgermeisterin dankte der Ministerin für die Aufnahme ins Förderprogramm des Landes Baden-Württembergs. Sie betonte den Mut und den Enthusiasmus der Genossen, „die eine völlig neue Vision des Lebens im Schlachthof umsetzen wollen“. Und sie stellte die Frage in den Raum: „Wie kann bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden?
„Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es ist die soziale Frage unserer Zeit“, wusste auch Nicole Razavi. Daher hat ihr Ministerium 2018 die Wohnraumoffensive BW ins Leben gerufen, die finanziell schwache Kommunen bei der Schaffung von Wohnraum unterstützen soll.
Die drei Säulen der Wohnraumoffensive BW
Die Patenschaft Innovativ Wohnen ist eine der drei Säulen der Wohnraumoffensive BW. Zusammen mit dem Grundstücksfonds BW und dem Kompetenzzentrum BW verfolgt das Land das Ziel, die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg auf dem Weg zu mehr bezahlbarem, qualitätsvollem und sozial gemischtem Wohnraum zu unterstützen.
Beim Grundstücksfonds erwirbt das Land Grundstücke und verkauft sie an Gemeinden mit Bedarf weiter. Dazu zählt die Wiedervermietungsprämie, mit der Anreize zur Aktivierung von leerstehenden Wohnungen gesetzt werden sollen. „Kommunen können bei Erfolg bis zu 2000 Euro Prämie erhalten. Bislang sind damit 300 leerstehende Wohnungen wieder bezogen worden“, lobte die Ministerin. Nicht zuletzt erwähnte sie Kompetenzzentrum Wohnen BW. Hier können Kommunen entsprechend ihres jeweiligen Bedarfs auf insgesamt sieben flexibel miteinander kombinierbare Beratungsmodule zugreifen.
Tabakscheune und Traforaum als Wohnraum
Bei der Patenschaft Innovativ Wohnen ist das Ziel: „Ein Ideenpool der ‚guten Praxis‘, der Mut zur Nachahmung macht“, so die Ministerin. Die Teilnehmer kamen aus Altbach, Bad Waldsee, Baltmannsweiler, Bodnegg, Esslingen, Karlsruhe, Ludwigsburg, Neuried, Schorndorf, Stuttgart und Tübingen. Sie präsentieren am Montag ihre unterschiedlichen, teils auch experimentellen baulichen und konzeptionellen Ansätze. Da soll zum Beispiel eine leere Tabakscheune mitten im Ort eine Lücke schließen, ein Trafoturm zum Wohnapartment umgenutzt und eine Garagenaufstockung Wohnen ermöglichen. Bei einem anschließenden Rundgang nutzen die Gäste die Möglichkeit, sich mit den Ideengebern auszutauschen
Stefanie Wetzke, Geschäftsführerin der Gewerbekultur Pforzheim, ging mit den Gästen die genossenschaftlichen Wege der Quartiersentwicklung des Alten Schlachthofs ab. „Die Zusage des Landes hat sich als Beschleuniger für das Projekt erwiesen. Mit riesengroßen Schritten geht es weiter, das Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur realisiert werden können“, freute sie sich.
Papierfabrik ist Diskussionsthema
Das Schaufenster neuer Wohnformen rundete eine Podiumsdiskussion ab, an der Ministerin Nicole Razavi MdL, Baubürgermeisterin Sibylle Schüssler, der Bürgermeister der Gemeinde Baltmannsweiler Simon Schmid, Leon Meyer, stellvertretender Präsidiumsvorsitzender des Jugendgemeinderats der Stadt Pforzheim und Professorin Martina Baum, Direktorin des Städtebau-Instituts und Professorin für Stadtplanung und Entwerfen an der Universität Stuttgart teilnahmen, endete die Veranstaltung. Hier machte Schüssler ihrem Ärger Luft über den Verkauf der Papierfabrik in Dillweißenstein an einen österreichischen Investor.
Text: Corina Wießler
Fotos der untenstehenden Fotogalerie: Winfried Reinhardt